Wir sind in Russland! Der Grenzuebertritt war ein Abenteuer. Noch auf polnischer Seite mussten wir unsere Helme abziehen, Paesse und Fahrzeugpapiere vorzeigen. Den Inhalt der Koffer wollte die Dame mit dem netten Laecheln auch inspizieren. Und sie ahnte oder roch wohl, dass sich in den Gepaeckrollen unsere Waesche befand. Davon liess Sie wohlweislich die Finger. Aber kurz bevor wir weiterfuhren, wurde SU von links hinten von einer Flirtattacke erwischt. Hatte die Dame doch Gefallen an dem Juengling gefunden. Sie konnte ja nicht ahnen, dass er der Wetterfee versprochen ist. Wir rollen zum naechsten Schlagbaum. Die Dame hier ist Russin und will nur die Visa sehen. Sein Charm versagt dieses Mal auf ganzer Linie. Schranke hoch, weiter. War ja einfach. Aber verdammt, da ist noch eine Station. Eine schwarz gelockte sibirische Mulattin mit russischer Grenztruppenuniform winkt uns mit ihrem Selfie-Stick mit angeklebtem Schminkspiegel zu sich. Ab da an ist der Spass vorbei. Stiiiiiiilgestannnden!!! Passport, Papiere! Aber zackig. Den Teleskopstab mit Spiegel schwingt sie dabei wie einen Schlagstock. Nebenbei bruellt sie noch einen Autofahrer an, der fast doppelt so hoch und breit ist wie sie, faltet ihn und zwingt ihn, sich mit seinem Auto wieder zurueck hinter die weisse Linie zu begeben. Dann geht sie um unsere Motorraeder herum, zeigt auf jede einzelne Tasche und stoesst nur „Open“, „Open“, „Open“ zwischen ihren Zaehnen hervor. „Sir, jawohl Sir!“ Als sie misstrauisch um mein MoFa wandert, zeigt sie auf meine Zelttasche und fragt auf deutsch: „Was ist das?“. Ich antworte auf englisch: „Tent“. Sie quittiert das mit einem russischen: „Xoroscho“. Beide nix dazu gelernt. Alles gut. SU’s Puls ist am oberen Limit der nur dreistelligen Anzeige angekommen. Meine Tabletten wirken, Puls ist stabil. Dann schnell noch Zollerklaerung und andere Papiere ausgefuellt. Und schon geht’s weiter. Noch eine Schranke. Dann endlich in Russland. Schnell weg, bevor sie es sich anders ueberlegen. Pause an der 500m entfernten Tankstelle. Ich tausche die Landkarten aus, wir besprechen die weitere Route und wie hier wohl Super95 heisst. Und endlich weiss ich, wie man richtig tankt!

Hinten rechts anheben. Und schon laeuft nichts mehr raus. Genial. Haette ich auch selbst drauf kommen koennen.

Bei einer weiteren kurzen Pause am Strassenrand stellen wir erstaunt fest, dass man anscheinend nur lang genug sitzen muss, um ein Ei zu legen. In diesem Fall ist das Ei ein Apfel. Der Kerl erstaunt mich immer wieder.Dann geht die Reise weiter nach Tilsit, heisst jetzt Sovetsk. Wir checken bei Tamara ein, die ein Gesicht macht, als wuerde sie SU gleich verpruegeln wollen. Das Hotel sieht von aussen wie der Sieger des Wettbewerbs VEB des Jahres 1972 aus. Die Frage nach einem Parkplatz werden wir gleich bereuen. Man schickt uns um das Haus herum in den Hinterhof. Das haetten wir besser nicht gesehen. Der Hof sieht nicht sehr Vertrauen erweckend aus. Aber unsere MoFas stehen hinter einem Zaun und sind dauerbeleuchtet.

Nachdem das Gepaeck auf den Zimmern verstaut ist, fahren wir schnell nach Ragnit, heisst jetzt Neman und suchen auf dem nahe gelegenen riesigen Friedhof nach deutschen Graebern, werden aber nicht fuendig. Dort hat die Familie meiner Grossmutter bis zur Flucht gelebt. Das Haus steht noch, ist aber nicht mehr bewohnt. Ein sehr emotionaler Moment fuer mich. Ohne Krieg waer’s besser gewesen. Aber dann haette ich heute nicht dagestanden.

Zurueck im Hotel, machen wir uns frisch und besuchen die ans Hotel angebaute Pizzeria. Maria, unsere Bedienung, ist noch sehr jung und spricht quasi kein englisch. Die Speisekarte ist komplett auf russisch.

Nachdem wir Maria klar gemacht haben, dass wir fuer die Wahl der Speisen etwas Zeit brauchen, verlaesst sie uns. Und wir studieren die Karte. Die Worte formen sich gerade zu Pizzen und Belaegen, da faengt SU an, den Spass zu verderben und googelt die Zutaten. Ich hab’s mir dann aber nicht nehmen lassen, Maria doch danach zu fragen, was dieses oder jenes sei, um die Erklaerung zu hoeren. Ausserdem wollte ich mit meinen Sprachkenntnissen angeben. Ging leider daneben. Also musste SU als Opfer herhalten. Waehrend er kaute, konnte er nicht erzaehlen. In dieser Zeit habe ich ihm Russisch beigebracht. Hat zwar nichts gebracht. Aber wir haben beide unser Bestes gegeben.

 
Ab auf’s Zimmer. Bereit fuer’s naechste Abenteuer. Original Text SU:

Ich saß nichtsahnend im Flur. Warum? Weil mein iPhone nur Wlan hat, wenn ich es rechts neben der Tür senkrecht an die Wand halte. Also habe ich mir den Stuhl genommen und hab mich dorthin gesetzt. Ich bin so beim Hotelbuchen für morgen, da schaut mich aus dem Bad (Licht war an), um die Ecke eine kleine Maus an. Ich guck, sie guckt, sie macht kehrt und ist wieder weg. Wahrscheinlich hinter dem Klo vorgekommen. Da ist ein Loch in den Fliesen um das Abflussrohr. Jetzt habe ich die Badtür geschlossen und das Handtuch in die Ritze geklemmt. Bin hoffentlich nun sicher.

 
Morgen ist Badetag. Da haben wir eine Unterwassertour geplant. Laut Wettervorhersage soll es 28mm Regen geben, verteilt ueber den Tag. Daher haben wir uns entschieden, Riga auf dem kuerzesten Weg anzufahren und die Detour entlang der Kueste zu canceln. Das Tagespensum sinkt dadurch von circa 600 auf 300km.

Gute Nacht

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VonVader

Ein Gedanke zu „Abenteuer ungeheuer“
  1. Mäuse fängt man am besten in Leoparden-Tangas (sind ja Groß-Katzen) 🙂 Habt Ihr denn jetzt in einem Bett geschlafen wegen der Maus…? Es ist zum Piepen… #warm&trocken#frohwitwe# -JGE

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